Der Hindi-Schriftsteller Uday Prakash erzählt auf abwechslungsreiche, spannende Art aus dem Leben eines einfachen indischen Arztes. Im Zentrum steht dabei der Kampf des ehrenwerten Doktor Wakankar gegen das korrupte System. Gelingt es ihm, seine betrügerischen Kollegen umzustimmen, oder gerät er am Ende selbst unter die Räder ihrer Machenschaften?
Aus dem Buch:
"Ich fühle mich sehr einsam. Meine Mitmenschen sind der Ansicht, ich verhielte mich nicht pragmatisch, sondern sei ein Idealist. Ich kann an meiner Arbeit jedoch keinen Idealismus erkennen. Ich verschreibe lediglich lebendigen und unschuldigen Patienten keine minderwertigen und gefährlichen Medikamente. Als Beamter verlange ich keine zusätzlichen Gebühren und bemühe mich, meine Pflicht zu erfüllen."
"Ich wüsste zu gerne, ob man als aufrichtiger Mensch nicht auch Realist sein kann."
Wakankars Tagebucheintrag, Seite 18
Another Subcontinent veröffentlichte ein ausführliches Interview mit dem Autor
2009, 112 S., 12,80 Euro, ISBN 978-3-937603-32-2
Ein aufrechter Hindu in der Schlacht mit dem System
Shirin Sojitrawalla
Erzählung - Uday Prakashs tragikomischer Romanheld Doktor Wakankar
Er ist ein Rebell, einer, der nicht spurt, und einer, der nie um des eigenen Vorteils willen handelt.
Gerade einmal hundert Seiten benötigt der indische Schriftsteller Uday Prakash, um ein Leben in all seiner Tragödienhaftigkeit auszubreiten. Es ist das Leben von Dr. Dinesh Manohar Wakankar. Er ist Arzt und so rechtschaffen, dass er beinahe zwangsläufig unter die Räder der korruptionsverseuchten indischen Bürokratie gerät. „Dr. Wakankar kam sich vor, als wäre er in ein altes Burgverlies geraten und wisse nicht mehr, wo der Ausgang war. Genau so funktionierte also das System, von dem auch er ein Teil war“, heißt es an einer Stelle. Präzise und klar schreibt Prakash darüber, wie in Indien getäuscht, gelogen, bestochen und gemordet wird. Dabei erscheint die Korruption bei ihm nie als lustiges Gesellschaftsspiel, sondern als tödlicher Ernstfall. Die Handlung des Romans, der in Indien schon 1992 erschien, erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte, von den Siebzigerjahren an. Wakankar ist ein tiefgläubiger Hindu, und das allein zwingt ihn schon, sich gegen die alltäglichen Machenschaften um ihn herum aufzulehnen. Er ist ein Rebell, einer, der nicht spurt, und einer, der nie um des eigenen Vorteils willen handelt. Ein Gutmensch, wie er im Buche steht.
Jedes Mal wenn er sich den Oberen entgegenstellt, wird er prompt strafversetzt, bis er schließlich in der Kolonie Dinghar landet. Den erzählenden Passagen fügt der Autor Tagebucheinträge von Wakankar bei, in denen er seine Ohnmacht offenbart.
Der 1952 geborene Uday Prakash, selbst in der Provinz von Madhya Pradesh groß geworden, lässt seinen Helden ebendort agieren. Fernab von den glänzenden Bankentürmen der Finanzmetropole Bombay, den Computerwelten Bangalores und dem Hauptstadtgewusel Neu-Delhis. Die Mehrheit aller Inder lebt auf dem Land, und allein deswegen ist es zu begrüßen, dass sich Prakash dort seine Schauplätze sucht und seinen Doktor Wakankar, den aufrechten Hindu, in die Schlacht gegen das System schickt. Das macht er auch mit Witz und fein dosierter Ironie, manche Szenen geraten ihm zu schönster Politsatire.
Dabei kann man dieses Büchlein gar nicht preisen, ohne auch den Heidelberger Verlag Draupadi zu rühmen, dem es zu verdanken ist, dass die Geschichte von Dr. Wakankar jetzt auch auf Deutsch zu lesen ist. Immer noch werden nur wenige Bücher aus dem Hindi und anderen indischen Sprachen übersetzt. Das, was man hierzulande gern unter indischer Literatur versteht, sind überwiegend Übersetzungen aus dem Englischen. Das schmale Buch von Uday Prakash lehrt so nicht nur das Fürchten vor der indischen Demokratie, sondern auch Ehrfurcht vor der Vielfalt der indischen Literatur.
taz, 24.10.2009
Ein indischer Michael Kohlhaas
Franz Schneider
Er war schon einmal in Heidelberg und will trotzdem wieder nach Deutschland kommen. Uday Prakash ist ein lebendiger, aber auch unbequemer Geist. Er ist ein Inder, geboren 1952 in der tiefsten Provinz, brach er nach Delhi auf und gilt heute als einer der wichtigsten Autoren Indiens. Da er aber auf Hindi schreibt, hat der Tübinger Indologe André Penz einen der besten Romane Uday Prakashs ins Deutsche übersetzt und muss dafür in den höchsten Tönen gelobt werden. „Doktor Wakankar“, im Original erschienen 1992, ist eine flüssig lesbare, spannende und schonungslose Geschichte über einen Mann, der einen sofort gesund macht. Ein Blick in die Augen, eine Beobachtung, Doktor Wakankar diagnostiziert schnell, ob zu hoher Blutdruck oder die Hämorrhoiden des Premierministers. Ein guter indischer Arzt in einem schlechten Indien, Gier, Geilheit, Korruption und Kriminalität. Als der gute Doktor Wakankar sich dagegen auflehnt, gefährdet er sein eigenes Engagement. Denn er wird anfällig für eine Ideologie der Güte und Sauberkeit, und böse und schmutzig sind natürlich immer die Anderen. Als tiefgläubiger Hindu gerät er in das Umfeld und in die paramilitärischen Organisationen der BJP, der Bharatiya Janata Party, die hindunationalistische Partei, die auch schon mitregierte und für die Übergriffe militanter Hindus auf Muslime verantwortlich ist. Doch die Partei enttäuscht Dr. Wakankar. Als in einer Provinzstadt, wo er zu praktizieren gezwungen wurde, politische Unruhen ausbrechen, zeigt sich deren wahrer Charakter – und Dr. Wakankar steht der Welt gegenüber wie ein indischer Michael Kohlhaas. Ein Exempel wie einer zerbricht, und ein Exempel wie der in Handschuhsheim beheimatete Draupadi Verlag sein Programm, indische Literatur zu vermitteln ernst nimmt. Jenseits von Goa und Gandhi beschert er uns etwas, was man allgemein nicht so häufig findet, nämlich einen politischen Roman, lesbar in einem Zug.
Rhein-Neckar-Zeitung, 20.7.2009
Ein unbequemer Held
Kristina Förster
Dr. Dinesh Manohar Wakankar ist tief religiös und in seinem Beruf als Arzt von Pflichtbewusstsein und Gerechtigkeitsempfinden angetrieben, einer profunden Ethik, die ihn in Schwierigkeiten bringt. In einem Umfeld, das von Korruption, Umweltzerstörung und grausamer Gleichgültigkeit indigenen Adivasistämmen gegenüber geprägt ist, wird er für Kollegen und Autoritäten unhaltbar. Strafversetzt praktiziert er jahrelang in rückständigen, mehrheitlich von Ureinwohnern bewohnten Gebieten. Auf wunderbar ironische Art und Weise spiegelt Uday Prakash mit der Geschichte seines aufrechten Doktors die bösen Spielarten der Ungerechtigkeit in indischen Lebensrealitäten. Dr. Wakankar bleibt dabei jedoch kein eindimensionaler Gutmensch, keine Allegorie auf das Tugendhafte schlechthin, denn er zweifelt und hinterfragt seine Haltung immer wieder. Er „wüsste zu gerne, ob man als aufrichtiger Mensch nicht auch Realist sein kann” und wird sich an einem bestimmten Punkt der Aussichtslosigkeit seines Kampf es bewusst. Dass er aber dennoch seinen Prinzipien treu bleibt, bewundere ich an dieser Figur, die Prakash durch Tagebucheinträge und innere Monologe so nahe an den Leser heranbringt. Man kommt gar nicht umhin, selbst über Gerechtigkeit und Verantwortung nachzudenken – die des Staates und jedes Einzelnen.
Mit Dr. Wakankar. Aus dem Leben eines aufrechten Hindus erscheint nach zwei Bänden mit Erzählungen nun der erste Roman von Uday Prakash im Draupadi Verlag. Nicht zuletzt wegen der sehr guten Übersetzung möchte ich Ihnen das Buch uneingeschränkt ans Herz legen!
Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V.
Erhältlich in jeder guten Buchhandlung oder direkt beim Verlag unter Bestellungen!
In Kooperation mit dem Unionsverlag auch als Ebook erhältlich.