Bernd Leibowitz

Bruchstücke für Juliane

Roman

Es gibt Zeitgenossen, die bauen in mühevoller Kleinarbeit den Kölner Dom oder den Eiffelturm aus Streichhölzern nach. Bruchstücke für Juliane rekonstruiert die Zeitspanne vom Sommer 1976 bis ins Frühjahr 1977, die Mode, die merkwürdige Discomusik und den Funkjazz jener Jahre, die bunt gemusterten Interieurs ebenso wie das studentische Leben im geisteswissenschaftlichen Umfeld der Mannheimer Universität und die Reaktionen der übrigen Gesellschaft auf die mittlerweile gar nicht mehr so neue „linke“ Studentenbewegung.

Juliane ist ein klassischer Bildungs- und Entwicklungsroman, ein Liebesroman und „historischer“ Text im modernen Gewand.

 

 Bruchstücke heißt er, weil die Geschichte in einer Vielzahl von Stilen aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln vorgetragen wird, die bruch- stückhaften Erzählungen

sich aber wie ein Mosaik zum Gesamtbild ihrer Zeit fügen.

 

 

 

Bernd Leibowitz

hat ein Studium der Sprach- und Literaturwissenschaft absolviert, unterrichtete Deutsch als Fremdsprache und übersetzte Comic-Literatur wie auch Sachbücher aus dem Spanischen und Französischen ins Deutsche. 

Er lebt in Neustadt an der Weinstraße.

2016, 310 Seiten, 19,80 Euro, ISBN 978-3-937603-97-1


 

Ein Roman für die Baby-Boomer

 

Ursula Planker

 

Neustadt. Als Student der Germanistik und Anglistik in Mannheim hat der Neustadter Bernd Leibowitz die 70er Jahre, das wohl bunteste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, hautnah miterlebt. Später unterrichtete er viele Jahre Deutsch für Ausländer und übersetzte mehrere tausend Seiten Comics und auch ein paar Sachbücher aus dem Spanischen oder Französischen ins Deutsche. Heute arbeitet er als Systemanalytiker bei John Deere und hat nun, mit 60 Jahren, einen Roman veröffentlicht, der den Leser zurückführt in die Zeit von Love, Peace und Flower Power.

 

„Ein Liebesroman und ,historischer′ Text im modernen Gewand“, so steht es im Klappentext zu Leibowitz’ Roman „Bruchstücke für Juliane“, der 1976/77 im universitären Milieu Mannheims spielt. Die Protagonisten sind Bernd Koslowski, Student der Germanistik und Philosophie, und Robert Meyer, Student der Literatur, die auf den ersten Blick nicht viele Gemeinsamkeiten zu haben scheinen. Bernd ist optisch ein Beamten-Typ, ständig pleite, ein Denker, der Bücher und Philosophie liebt, auf der Gefühlsebene aber eher „grob gestrickt“ daher kommt. Robert ist ein langhaariges, hageres „Kind“ der Flower-Power-Zeit im Parka, immer sparsam, Gefühlsmensch bis zur Reizüberflutung, deshalb ständig und eigentlich grundlos an sich und der Welt verzweifelnd bis hin zur Depression. Zwischen diesen beiden steht Juliane, Roberts Ex-Freundin, die inzwischen mit Bernd liiert ist, dem „finsteren Morold“, wie Robert ihn, eifersüchtig und liebeskrank, im Stillen nennt. Es ist aber nicht die Liebesgeschichte selbst, die dieses Buch ausmacht. Vor allem im Verlauf der ersten drei von insgesamt fünf Kapiteln beschleicht den Leser das Gefühl, die Story diene Leibowitz quasi nur als Gerüst, das er braucht, um seine geballte Ladung an Philosophie-, Literatur- und Sprachwitz und -wissen gekonnt daran aufzuhängen. Leibowitz lacht, als wir ihn damit konfrontieren – ein bisschen dreckig, ein bisschen wie ertappt, und so ganz abstreiten kann er es wohl nicht. Er sitzt am Küchentisch seines idyllischen Hauses in der Maxburgstraße. Kaffee gibt es, und in dem Schüsselchen liegen köstliche Kekse statt kalter Zigarettenasche. Mit seinen fast schulterlangen, inzwischen weißen Haaren assoziiert man ihn trotzdem leicht mit einem etwas fülliger und älter gewordenen Robert Meyer. Ist er Robert Meyer? Wieder lacht er schelmisch: „Nein“, sagt er diesmal, „die Charaktere in meinem Buch haben Ähnlichkeit mit Leuten, denen ich im Laufe meines Lebens begegnet bin, oder die ich kenne, aber keiner ist wirklich komplett abgebildet. Aber ich habe tatsächlich, wie Robert, unterm Dach gewohnt“. Leibowitz beschreibt seine Hauptfiguren nicht nur mit Worten, sondern ordnet ihnen dem Charakter entsprechende Sprachen und Literatur zu. So finden sich in den aus Bernds Sicht geschriebenen Abschnitten immer wieder Ausdrücke aus dem Lateinischen, einer sehr strukturierten, nüchternen Sprache, und der griechischen Mythologie. Robert hingegen spricht Spanisch, geeignet für Gefühlsausbrüche aller Art und beschäftigt sich mit der Erzählung von Tristan und Isolde, was dem Leser nebenbei eine interessante Einführung ins Mittelhochdeutsche beschert. Erinnerungen an die 70er Jahre werden dabei immer wieder und in allen Lebensbereichen geweckt. So plagen sich die Studenten mit Schreibmaschinen ab, vor dem geistigen Auge sieht man Hans Rosenthal zu Dalli-Klicks hupsen, hört die Musik von „The Doors“, aber auch die ersten Disco-Hits, riecht dabei förmlich die Gras-Tüten, und in der Reklame kommt Johnny Walker, wenn der Tag geht. Auch politische Ereignisse erleben die Protagonisten, wie den Tod Mao Tse-tungs oder die Wiederwahl Helmut Schmidts zum Bundeskanzler. Auch die Anti-Atomkraft-Bewegung bekommt Platz eingeräumt, was aus heutiger Sicht sehr interessant zu lesen und immer noch hochaktuell ist. Ob „Bruchstücke für Juliane“ dabei wirklich ein klassischer Bildungs- und Entwicklungsroman wie „Wilhelm Meister“ oder „Der grüne Heinrich“ ist, wie die Verlagsankündigung behauptet, muss jeder Leser selbst entscheiden. Auf jeden Fall ist das Buch ein farbenfrohes Mosaik einer farbenfrohen Zeit. Nach 90-minütigem Gespräch wird Leibowitz schließlich unruhig. „Können wir eine Pause machen?“, fragt er und erhebt sich, „dann geh′ ich eben draußen eine rauchen“. Klar doch, es ist ja auch schon alles gesagt. Und wie er da so steht, so locker, fröhlich mit langen Haaren und Kippe, wirkt er wie einer der Studenten aus den 70ern in seinem Buch, älter zwar und lebenserfahrener, aber im Kern doch der Alte geblieben. Darum raucht er auch noch – nur eben draußen statt wie früher in der WG-Küche. 

 

Rheinpfalz,  24. Juni 2015 


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